Qingdao & Seoul - mit allen Sinnen
Samstag, 21. Juli 2012
HÖREN: Open-Air-Musikfestivals R.I.P.
Wenn es in den Straßen nach Barbecue riecht; wenn alle Qingdaoer erleichtert sagen "Hier bei uns ist es ja noch angenehm, aber in Peking und in der Provinzhauptstadt Jinan, da ist es jetzt unerträglich! 50 Grad!!!"; wenn die Passanten auf der Straße Plastiktüten mit frisch gezapften Tsingtao-Bier herumschleppen, dann ist es eindeutig: Der Sommer ist da!



Für sommerliche Großveranstaltungen wäre Qingdao eigentlich perfekt. Eigentlich. Zum Beispiel für Open-Air-Musikfestivals am Strand. Lasst mich mal kurz auf der Website Qingdaonese nachschauen, wie viele Musikfestivals es in diesem Sommer gibt....aha: kein einiziges. Ja. Kein einziges.

Dabei gab es letztes Jahr sogar ein großes, das drei Tage dauerte, mit Bands aus Peking, Qingdao, Frankreich, Norwegen: das Golden Beach Music Festival in Huangdao, auf der anderen Seite der Bucht. 2010 fand das Festival direkt am Strand statt, 2011 zwar nicht mehr direkt am Strand, aber direkt am Meer, 2012 findet es weder am Strand noch am Meer statt, sondern gar nicht.

Warum dieser Abstieg? Ein Grund ist meiner Meinung nach, dass die Behörden jeglicher Art von privaten größeren Menschenansammlungen zutiefst misstrauen. Letztes Jahr sollte Anfang September ein zweites Musikfestival direkt am Strand in der Innenstadt stattfinden - sogar der Altrocker Cui Jian hatte sich angekündigt. Zwei Tage vorher, ich hatte bereits Karten gekauft, wurde das Festival ohne Angabe von Gründen abgesagt. Zu der Zeit fand gerade eine stadtweite Kampagne statt, nämlich die Kampagne "Zivilisierte Stadt" (wenming chengshi). Wochenlang wurde Qingdao von Stadtbeamten (chengguan) von allem "Unrat" (Grillöfen, Tischen auf der Straße, Bettlern, Essständen..) - teilweise gewaltsam - gesäubert. Diese Anstrengungen wurden für die Inspektoren aus der Haupstadt unternommen, um endlich den ehrenwerten Titel einer "zivilisierten Stadt" tragen zu dürfen. Da passt ein Musikfestival, das Müll und andere Unberechenbarkeiten erwarten lässt, nicht in das "zivilisierte" Konzept. Den Titel hat Qingdao übigens letztendlich nicht bekommen.

Statt private Großveranstaltungen gibt es jedes Jahr das brave Event "International Marine Festival". Klingt spaßig, ist es aber nicht; die Events richten sich nicht an die Einwohner, sondern an potentielle Investoren. Für die Einwohner ist das "Festival" eher ärgerlich, weil dann die ganze Marina abgesperrt wird und plötzlich Eintritt kostet.

Ist die Blüte der Musikfestivals in Qingdao vorbei? Und was bedeutet das für die Öffentlichkeit? Vielleicht haben die Qingdaonesen auch einfach keinen Bock auf so eine Art von Veranstaltungen, vielleicht ist es für die meisten doch kein ideales Familienevent, vielleicht finden es manche doch nicht so vorteilhaft, ihre Babys mitzunehmen und sich mit ihnen neben die Verstärker zu stellen... .

Also, Golden Beach Music Festival: R.I.P.! Hier ein Foto von einer Pekinger Death Metal-Band vom Festival 2011. Ich bleibe also diesen Sommer bei BBQ&Bier. Und Karaoke.

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Samstag, 7. Juli 2012
FÜHLEN: Back in Qingdao
Morgens unwissentlich verschimmelten Kuchen gegessen; mittags erfahren, dass im Kindergarten der Tochter meiner Kollegin Maul- und Klauenseuche ausgebrochen ist - und der Kindergarten dies bis jetzt den anderen Eltern verheimlicht; abends festgestellt, dass die Blog-Beiträge meines Lieblingsbloggers Li Chengpeng über die Proteste in Shifang von der Zensur schon entdeckt und gelöscht wurden... - ich bin wieder in CHINA!

Im Juni war ich in Deutschland und konnte dort das verzerrte Chinabild der Deutschen genießen, das von supernaiv verklärend bis hin zu hochgradig verteufelnd reicht. Kein Wunder: was die Medien verzapfen, ist auch nicht gerade eine ausgewogene Beschreibung von China. Übrigens: Ai Weiwei hat jetzt einen Kinofilm?! Wer ist Ai Weiwei? In China ist er völlig unbekannt - und unbedeutend. Was hat er mit den 08/15-Bürgern zu tun? Rein gar nichts.

Wer den Kommentar des Autoren und Bloggers Han Han über die Demonstrationen in Shifang auf Deutsch lesen möchte: auf der Seite doppelpod.com gibt es eine Übersetzung seines Blogeintrags http://www.doppelpod.com/?p=3098&lang=cn.

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Sonntag, 20. Mai 2012
SCHMECKEN: Hochzeitsbonbons (Xitang 喜糖)
Heute: Hochzeitsbankett. Braut: aus der zentralchinesischen Provinz Henan. Bräutigam: der Sohn des besten Freundes meines Schwiegervaters. Braut und Bräutigam - jetzt frisch gebackene Eheleute - wohnen: in Shenzhen. Weit, weit im Süden. Die Feier findet aber in der alten Heimat des Bräutigams, in Qingdao, statt. Eine schöne, romantische Hochzeit - und leckere Hochzeitsbonbons (Xitang 喜糖). Hier ein paar Fotos.




Eine russische Band? Nein, sie mögen einfach nur auffällige Kopfbedeckungen. Zum Glück war es nicht so heiß heute.



Die Comicfiguren laufen - rapautz! - vor den grauen Schwelen der explodierenden Böller davon.



Zwei Rosen?!



Tada! Hochzeitsbonbons!



Mhmmm...süße Datteln (甜枣)



Ach, Hochzeitsessen ist schon was Besonderes!

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Sonntag, 6. Mai 2012
SEHEN: Ich m-blogge, also bin ich
Was für den Westen Twitter ist, ist für China Sina Weibo 微博. Weibo bedeutet Mikroblog, aber was ist das Verb zu Weibo in "Chinadeutsch"? Mikrobloggen, weiboen oder m-bloggen? Darüber wird unter den Deutschsprachigen im Weibo viel diskutiert. Ich finde "m-bloggen" am besten. Ich m-blogge, also bin ich.

Tatsächlich habe ich mich mit Weibo in letzter Zeit viel beschäftigt. Vielleicht auch zu viel. Aber wer sich mit China beschäftigen will, kommt um Weibo nicht herum. Weibo erfüllt in China ganz andere Funktionen als Twitter im Westen. In China lässt die Mittelschicht dort ihren ganzen Frust raus, zum Beispiel über die Baumbessenheit des Bürgermeisters von Qingdao (die immer noch anhält). Weibo ist vielleicht der einzige Ort, an dem das (noch) möglich ist. Und es bietet Alternativen zu den offiziellen Medien als Quelle für Informationen. Wie vertrauenswürdig diese alternativen Quellen sind, weiß naürlich niemand.

Videos verlinken, Fotos hochladen, mit einem Klick einen Eintrag weiterleiten - Weibo ist sehr dynamisch und die Weiboisten sehr kreativ, das macht es so interessant. Bestimmte Wörter werden natürlich gefiltert und der Eintrag wird automatisch - pling!- von der Weibo-Seite gelöscht. Deswegen heißt zum Beispiel Bo Xilai im Internet Xi Laibo.

Vor ein paar Wochen wurde entdeckt, dass in einer Fabik in China Kapseln aus Schuhleim hergestellt wurden. Hier habe ich einen Cartoon zu diesem Fall angehängt, der im Weibo-Raum herumschwebt.

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Donnerstag, 12. April 2012
SEHEN: Grün, grün, grün sind alle meine Bäume
Was braucht die überaus grüne Stadt Qingdao, deren Name übersetzt "grüne Insel" bedeutet, wohl am dringendsten? Genau: Bäume! Das denkt jedenfalls Qingdaos neuer Bürgermeister Zhang Xinqi und pflanzt kurz nach Amtsantritt tausende Bäume und Pflanzen.

Herr Zhang mag aber nur Bäume - die Blumenbeete, hübsch eingerahmt von weißen, niedrigen Zäunen, die erst letztes Jahr in den Gehwegen eingelassen wurden, lässt er einfach ausreißen. Jetzt sind die Straßen mit hüfthohen Pflanzen gesäumt.



Auch Grasflächen mag er nicht so gerne. Die werden jetzt umgegraben, damit es mehr Platz gibt für - Bäume... . Allerdings bekommt nur der Südbezirk am Meer diese kosmetische Operation und leidet wegen der zur obersten Prioritöt erklärten Turbo-Bepflanzung unter Staus. Die anderen Viertel wie Taidong, der Nordbezirk, Sifang und Licang, die nicht mal halb so grün sind wie der Südbezirk es schon vor der grünen Invasion war, sind noch unberührt von Herrn Zhangs grünen Daumen. Ob sie es bleiben werden, ist unbekannt.

Alle anderen denken übrigens nicht ganz so wie Herr Zhang. Natürlich mögen die Qingdaonesen Bäume, aber sie mögen auch Gras und Blumen. Leider haben sie nichts zu sagen und lassen ihren Frust im Internet aus. Über die Kosten des Kosmetikprojekts wird dort viel gemunkelt. Das Gerücht geht um, dass die Familie von Herrn Zhang wohl im Pflanzenbusiness sei. Offizielle Nachrichten gibt es zu dem ganzen Thema nicht.

Vor zwei Tagen waren die Bürger in einem Viertel der riesigen südwestlichen Stadt Chongqing sehr wütend und sind auf die Straße gegangen. Sehr viele Polizisten waren auch auf der Straße. Bilder von jenem Abend gibt es im Internet. Informationen dagegen nur wenige, schon gar keine offiziellen.

Vielleicht war deren Bürgermeister auch so ein Baumliebhaber.

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Sonntag, 11. März 2012
SCHMECKEN: Zarter Tintenfisch mit Lauchzwiebeln
Das Gute an einer Stadt am Meer: es gibt Meeresfrüchte in Hülle und Fülle!

Heute machen wir mal was richtig Schönes: Tintenfische entdärmen! Was gibt es Angenehmeres? Um das zarte Tintenfischfleisch kosten zu können, bin ich bereit, dem Tintenfisch geradewegs in seine glubschigen Augen zu sehen.

Hier das Rezept von Mr.X für "zarte Tintenfische mit Lauchzwiebeln" (油泼比管鱼):

Etwa zehn - möglichst frische - Tintenfische kaufen und in eine Schlüssel legen. (In deutschen Asienmärkten gibt es tiefgefrorene.)



Tintenfisch-Kopf vom Tintenfisch-Rumpf manuell trennen. Den Rumpf mit einer Schere an einer Seite aufschneiden und die glibbernden Innereien entfernen. Den noch am Kopf hängenden Tintenbeutel abreißen.



Köpfe und weißes Fleisch waschen. Alles kurz in heißem Wasser kochen.

Dann Lauchzwiebeln in kurze Stifte schneiden.



Eine Handvoll Chilischoten im Wok kurz in Öl anbraten, in eine Schlüssel mit Sojasauce (Premium Sojasauce) geben, mischen und über das Gericht gießen.

Fertig sind die hauchzarten Tintenfische mit Lauchzwiebeln! Guten Appetit! Man man chi! 慢慢吃!

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Donnerstag, 23. Februar 2012
HÖREN: Möge Euch der Drachen stets lachen!
Genau einen Monat ist das neue Jahr des Drachen jetzt alt - in der Nacht vom 22. auf den 23. Janaur wurde das Jahr des Drachen mit lauten Krachern und funkelndem Feuerwerk eingeläutet. In den Tagen davor - und in der Woche danach - wurde mindestens genau so viel maschinenpistolenartig geböllert wie in der Silvesternacht. Jeder Ladenbesitzer feuerte vor seinem Laden die Knallerketten ab, um im nächsten Jahr viel Glück - das heißt natürlich Geld - zu bekommen.



Genauso wichtig wie das Böllern: das Essen. Jiaozi, die halbmondförmigen, gefüllten Teigtaschen, in Handarbeit hergestellt, gedämpft und dutzendfach verdrückt. Lecker.



Am Neujahrstag saßen wir aber nicht gemütlich zu Hause, sondern haben die vorübergehend kostenlosen Autobahnen genutzt, um eine Spritztour mit dem Auto durch die halbe Provinz zu machen: über vier Stunden Fahrt bis nach Qufu, der Heimatstadt des Kongzi (Konfuzius). Dort steht das Anwesen und der Wald der Familie Kong, sowie ein großer Konfuziustempel. Leider war die Atmosphäre sehr steril. Kein Wunder: dies alles wurde posthum erbaut, als der Weise schon längst unter der Erde lag.

Das Beste auf dem Ausflug war natürlich: das Essen. Auf dem Rückweg luden uns in der Stadt Jining, ganz in der Nähe von Qufu, Freunde zum köstlichen Essen ein.



Es hat tatsächlich ganz anders geschmeckt als in Qingdao. Einige Gerichte, wie zum Beispiel der seidenzarte Ying-Yang-Tofu mit scharfer Sauce auf der einen und Hackfleischsauce auf der anderen Seite haben bestimmt auch Konfuzius gemundet.

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